Gummistiefel und ganz viel Schlamm

„Meine Schuhe sind aber weiß!“ „Ne, jetzt nicht mehr!“ – Warum die Wahl der Schuhe bei diesem Ausflug so wichtig war.

Am 14.03. 2024 ist der Biologie-Erweiterungskurs der Klassenstufe 9 im Graal-Müritzer Moor unterwegs. Die Moorschützerin Frau Bohnenstengel führt die Schüler und Schülerinnen der Greenhouse School durch verschiedene Gebiete des Moores.

Eins vorweg: Moor ist nicht gleich Moor.

Beim Start der Führung am Rand des Moores entdecken wir gleich Preisel- und Heidelbeeren. Die nascht man besser nicht bei Stellen des Wildwechsels. Vorsichtig muss man immer noch sein beim Fuchsbandwurm, einem Parasiten. Lieber gefundene Beeren abkochen und dann erst genießen, aber Preiselbeeren sind „super sauer“ (Frau Bohnenstengel).

Wir stehen bei einem Baum, den zwei Schüler mit ihren Armen umfassen könnten. „Wie alt ist die Buche wohl?“, fragt Frau Bohnenstengel um dann aufzulösen, „Über 200 Jahre schon!“ Das Alter einer Buche erkennt man nicht an der Dicke des Stammes, sondern an seinen Falten und ob der Baum noch die sogenannte Buchenmast mitmacht, in einem Jahr besonders viele Bucheckern produziert.

Ein Ziel unserer Wanderung ist das Graal-Müritzer Hochmoor, welches bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern das zweitgrößte Flächenland-Hochmoor und selten ist. Frau Bohnenstengels Anliegen ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass unsere Moore geschädigt sind und geschützt werden müssen.

Früher ist durch Tiefabbau viel Torf abgebaut worden zum Heizen. Lieber hat man den Qualm des verbrennenden Torfes im Haus ertragen als teures wertvolles Holz zu verwenden. Heute werden oft Torffindlinge am Strand nach starken Stürmen gefunden. Da jene nicht verwendbar sind für die Wirtschaft, müssen die Gemeinden sie entsorgen. Auch für die Landwirtschaft sind Unmengen an Moor durch Trockenlegung zerstört worden.Wie schädlich dies in der Gegenwart für unser Klima ist, erläutert Frau Bohnenstengel mit folgendem Beispiel: Ein Hektar entwässertes Moor gibt so viel Emissionen in die Atmosphäre ab, als würde man dreimal um die Erde fliegen.

Eine Wiedervernässung der Moore ist nur bedingt erfolgreich, weil nicht etwa alle Pflanzen sich wieder ansiedeln. Hier in Mecklenburg-Vorpommern gibt es keine intakten Moore mehr, also die nie entwässert wurden.

Wir halten am Rand des Graal-Müritzer Niedermoores. Laute von Kranichen sind zu hören. Durch das wärmere Klima nehmen auch Kraniche öfter nicht am Vogelzug teil, sondern bleiben vermehrt über die Winter in Mecklenburg-Vorpommern. Doch eine mögliche hohe Schneedecke kann für sie gefährlich werden bei der Futtersuche.

Großes Gekrächzte unterbricht Frau Bohnenstengels Vortrag. Balzende Eichelhäher schlagen sich in einer Baumkrone. Diese Vögel ahmen Geräusche nach, sogar Handyklingeltöne, so Frau Bohnenstengel schmunzelnd.

Für einen Moorschutz sollen ehemalige Moorflächen wiedervernässt werden. Nach Frau Bohnenstengel müssen Forstwirtschaft und Landwirtschaft eine Alternative angeboten bekommen für das Vernässen ihrer Flächen. Die Lösung lautet Paludikultur: Bestimmte Nutzpflanzen gedeihen auf nassen Flächen besser als auf trockenen. Frau Bohnenstengel empfiehlt, betroffene Bauern und Förster sollten etwa in die Erlenwirtschaft im Niedermoor investieren. Die Erle liefert geeignetes Holz beim Bauen im nassen Grund. Doch die Politik muss diese Lösung unterstützen. Der Torfabbau, etwa als Substrat für Blumenerde, muss verboten werden. Stattdessen muss die Alternative, das Torfmoos, aus der Paludikultur gewonnen, gefördert werden.

Beim nächsten Halt zeigt uns Frau Bohnenstengel, der Wasserpegel im Moor wird regelmäßig gemessen. Die Moorschützer wissen, dem Graal-Müritzer Nieder- und Hochmoor geht es nicht gut: Durch den stetig geringer werdenden Wasserstand liegt Torf frei, zieht sich zusammen und trocknet aus. Vermehrt wachsen Bäume im Moor. Doch das ist ein Problem. Bäume nehmen viel Wasser auf. Eigentlich braucht ein Hochmoor 900 Liter Regen im Jahr. Letztes Jahr sind gerade 450 Liter Niederschlag gemessen worden. Noch wird das Moor mit Wasser versorgt durch die Nähe zum Meer. Die natürliche Entwässerung durch die Bäume muss eingedämmt werden: Einzelne Bäume werden aus dem Moor entnommenen mit ihren Wurzeln. Diesen Vorgang nennt man Entkusseln.

Wir verlassen das matschige Niedermoor und stehen plötzlich auf relativ trockenem Hochmoor. Zu spät für einige nun nicht mehr weiße Schuhe. Überall klebt der Torf dran.

Übrigens: Niedermoore produzieren Schwarztorf, in Hochmooren entsteht Weißtorf. Frau Bohnenstengel verweist auf das Moorzentrum der Universität Greifswald, wo Studenten herausgefordert werden, durch Geschmacksprobe herausbekommen, welche Torfart ihnen vorliegt. Keiner von uns will den Test versuchen.

Das Hochmoor unterscheidet sich vom Niedermoor durch das Torfmoos. Diese Pflanze hat keine im Boden verankerte Wurzeln. Die Moosballen schwimmen an der Wasseroberfläche. Der untere kleinere Teil der Wurzel stirbt ab, sinkt zu Boden und so wächst ein Hochmoor etwa ein Millimeter pro Jahr gebildet.

Plötzlich springt Frau Bohnenstengel hoch, landet und der ganze Boden vibriert. Wir stehen auf sechs Meter Hochmoor. Sechs Meter loser Boden. Doch wir versinken nicht.

Doch geht man von den gesicherten Wegen ab, kann es gefährlich werden. Durch alten illegalen Torfabbau sind bis zu drei Meter tiefe Löcher entstanden, aufgefüllt mit Schlamm. Gerät man da hinein, wird man nach unten gezogen. Letztes Jahr konnten aus dem Neubrandenburger Moor zwei Frauen erst durch sechzig Feuerwehrleute gerettet werden.

Die in verschiedenen Ländern gefundenen tausende alten Moorleichen sind aber nicht zufällig ins Moor gekommen. Sie gelten als Menschenopfer für die Götter ihrer Stämme. Diese Ritualmorde sind erkennbar am Mageninhalt der Leichen: Gefunden werden nur Speisen, die Göttern geopfert worden sind. Ein typisches Aussehen besitzen alle Opfer: Silbrige Haut, rötliches Haar und sie sind mumifiziert durch den Luftabschluss und die saure Umgebung der Moore.

Warum sind Moore schwarz? Die Torfmoose geben Huminsäuren ab, die diese Färbung bewirken. Drückt man etwas Torfmoos aus, kommt unglaublich viel Wasser raus und es „riecht wie Aquarium“ (Schüler).

Im Hochmoor gibt es eher weniger Bewuchs als im Niedermoor: Torfmoos, ein paar Heidekräuter. Wollgräser sind weitere Spezialisten im Hochmoor. Früher hat man Kissen mit Wollgras ausgestopft. Heute überlässt man die Pflanze der Beutelmeise. Sie baut ihre Nester aus den Gräsern. Wir haben Glück: Am Wanderpfad steht ein seltener Gagelstrauch. Daraus wird Bier gebraut. Die Moosbeere wird gesichtet. Eher ist ihre kultivierte Variante bekannt, die Cranberry.

Ein Schmetterling namens Hochmoorbläuling ernährt sich von der Moosbeere. Frau Bohnenstengel stellt noch andere Tiere des Moores vor. Die Höllenotter, auch schwarze Kreuzotter genannt, lebt in diesem Raum. Diese Schlangenart besitzt ein starkes Nervengift. Sie kann bei Bedrohung hoch springen bis zum Knie, aber keine Angst. Die Höllenotter ist scheu: Bemerkt sie Menschen, flieht sie eher.

Zum Abschluss der Wanderung spielt Frau Bohnenstengel mit uns „Das Moor und du“: Jeder versucht mit Hilfe einer Bildkarte sein Wissen rund ums Moor zu zeigen. Na, das klappt ganz gut. Nach den Ferien wird im Biologie-Unterricht das Thema „Moor“ weiter vertieft durch eine Debatte zum Moorschutz.

Wir bedanken uns bei Frau Bohnenstengel für die Führung durch das Graal-Müritzer Moor.

(MEI)


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