„Also ich werde Jurist“, sagt Magnus aus der 5. Klasse. „Und ich werde zur Bundeswehr gehen“, meint Stefan, ebenfalls 5. Klasse. Ja, Jungen haben da ihre Vorstellungen. Die Wahl fällt ganz klar auf traditionell männlich besetzte Berufsfelder.
Grundschullehrer, Erzieher, Sprechstundenhilfe, Sekretär gehören eher nicht in die Beliebtheitsliste der Wunschberufe unserer heutigen männlichen Jugend. Wie auch? Wer sagt ihnen, dass auch ein Junge Pflege- und Erziehungsberufe machen „darf“? Die Berufswünsche der Mädchen sind ähnlich polarisiert. „Ich will Erzieherin werden, aber nicht mit den ganz Kleinen“, sagt Johanna leise aber voller Überzeugung. Ja, auch all die anderen Mädchen unserer 5. Klasse haben Vorstellungen für ihre Zukunft. Bis auf eine wollen alle eher in den Bereich, der soziales und gemeinnütziges oder kreatives Arbeiten verlangt. Auch die Mädchen sind viel zu wenig in der bisher ausschließlich männlich besetzten Berufswelt unterwegs gewesen. Denn, und auch das kennt bestimmt jeder, Physik, Chemie und Technik ist ja auch nichts für Mädchen. Ganz falsch finden wir und gestalten den 25.04.2013 bereits traditionell im Zeichen der flexiblen Rollenbilder.
Der bundesweite Girls‘ Day – Mädchen Zukunftstag hat bereits seit vielen Jahren eine große Lobby. Viele Unternehmen und Organisationen, aber auch Hochschulen öffnen ihre Türen, um die Mädchen für typisch männlich besetzte Berufsfelder – Naturwissenschaft und Technik – zu gewinnen.
Während die Mädchen unserer Jahrgangsstufen 6 und 7 sich selbst Aktionen in und um Rostock gesucht haben, durften die Jungen unserer Klassen 6 bis 9 ihre Mütter begleiten. Einen Tag lang sollten sie mal schauen, was Mutti eigentlich den ganzen Tag so macht. Leon verbrachte den Tag auf einer neurologischen Station, die üblicherweise Parkinson- und MS-Patienten beherbergt. Hier schlüpfte er in die Rolle des Pflegers, fütterte, half bei der Flüssigkeitsaufnahme, machte die Betten, schob Rollstuhlfahrer und desinfizierte Oberflächen. Zudem unterstützte er bei den Aufnahmetests. Obwohl Leon diesen Tag als spannend und erfahrungsreich beschreibt, könnte er sich eher eine geschlossene Abteilung als zukünftigen Arbeitsort vorstellen. Dort wäre mehr Action, aber auch die Verantwortung für den Menschen noch größer.
Für die Jungen, die nicht die Möglichkeit hatten bei ihrer Mutti unterzukommen, waren Unternehmen in Graal-Müritz bereit, die Schüler aufzunehmen. An dieser Stelle bedanken wir uns bei dem „Seehotel Düne“, dem „Aquadrom“, dem Friseursalon „Hartmann“ und dem Hotel „Zum Deichgraf“. Besonderer Dank geht an den Blumenladen „Blumeneck Kai“ für die Zusammenarbeit, da hier ganz kurzfristig unser Schüler Pascal unterkommen konnte. Pascal war hellauf begeistert von seiner Arbeit und will im nächsten Jahr wieder dort seinen Boys‘ Day verbringen.
Für die Mädchen und Jungen der 5. Klasse wurde es richtig spannend am Lernort Schule.
Im Zeichen von „Coole Jungs sind fit im Haushalt“ absolvierten die Jungen einen Haushaltsparcours, in dem sie ihre Fähigkeiten diesbezüglich unter Beweis stellen mussten. Schließlich konnte man ein Haushaltsüberlebenszertifikat erwerben, welches sicherlich zukünftig Eindruck bei der Partnerwahl schinden könnte.
An 19 verschiedenen Stationen haben unsere Jungen ihre Fähigkeit, im Haushalt zu überleben, unter Beweis gestellt. So wurden in der Greenhouse School fleißig Fenster geputzt, Knöpfe angenäht, Hemden gebügelt, Tische eingedeckt, Fahrradschläuche repariert und Preise geschätzt. Zudem haben die Jungen Obstsalat zubereitet, gehämmert und geschraubt. In zahlreichen Quizfragen mussten sie sich mit dem Thema Haushalt auseinandersetzen. Mit der Unterstützung des Edeka-Marktes Schlickeisen aus Graal-Müritz konnte der Parcours umgesetzt werden, da uns kostenlos ein großer Obstkorb zur Verfügung gestellt wurde.
Während die Jungen der Klasse 5 einen Haushaltsparcours durchliefen, hatten die Mädchen einen Technikparcours zu absolvieren, der sie in eher ungewohnte Rollen schlüpfen ließ. Da mussten Aufgaben aus den Bereichen Handwerk, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gelöst werden. In der heutigen Zeit sind all diese Gebiete noch größtenteils von Männern dominiert, sodass es nun an der Zeit war zu zeigen, dass auch das weibliche Geschlecht hier Einiges vorzuweisen hat.
In der Kategorie „Handwerk“, die von Katharina Plate geleitet wurde, mussten die Mädchen falten, schneiden und knobeln. Da sollte doch tatsächlich ein Portemonnaie aus einem Tetra-Pak hergestellt werden. Hier konnten die Mädchen ein erstes Mal ihre Fähigkeiten unter Beweis und lösten diese Aufgabe mit Bravour.
Weiter ging es in der Kategorie „Technik“. Nachdem unter Aufsicht von Sven Radefeldt die Oberflächenspannung des Wassers in einem Experiment mit Pfeffer und Spülmittel eindrucksvoll demonstriert und erklärt wurde, mussten die Schülerinnen eine handelsübliche Schraube mit Hilfe eines Elektromotors zum Drehen bringen. Erstaunlich, mit welcher Energie und Freude die jungen weiblichen Einsteins zu Werke gingen.
Nun waren die Naturwissenschaften an der Reihe. Zusammen mit Kay Ruttloff wurde geklärt, warum eine Cola light in Wasser schwimmt, während eine normale Cola im kühlen Nass unter geht wie ein Sack Kartoffel. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe verhalf dann zur Lösung dieses Phänomens. In einem weiteren Experiment sollte eine Kerze zum Wippen gebracht, ohne dass sie dabei von den Schülerinnen in Schwung gehalten wurde. Unmöglich? Nein, denn das pure Ausnutzen von Masse versetzte die Schülerinnen in Erstaunen und die Kerze in ein extrem rasantes Wippen.
Karsten Schlender erkundete zusammen mit den Mädchen die Informatik. Hier wurden verschlüsselte Botschaften entzaubert und die Funktionsweise eines PC demonstriert. Dass das Grundprinzip eines jeden Computers auf der Mathematik basiert konnten unsere Tüftler anhand eines Gruppenspiels ausprobieren und verinnerlichen. Es gab viel zu entdecken und viel auszuprobieren.
Vielleicht hat ja die ein oder andere Schülerin Feuer gefangen und wird später ein typisch männliches Berufsfeld besetzen? Wenn ja, dann hat der Girls‘ Day viel bewegt und einen Stein ins Rollen gebracht, der den Blickwinkel bei der Berufswahl deutlich erweitert hat.
Den krönenden Abschluss bildete die Austragung des Kochduells zwischen Jungen und Mädchen. Katharina Plate (Englischlehrerin und Leiterin des offenen Angebots Kochen) betreute hilfreich die Schüler und Schülerinnen. Beide Gruppen bekamen ein Rezept und entsprechende Zutaten, um ein Menü zu zaubern, was im Anschluss von einer kritischen Jury (Ruben Blem Scheuer, Christoph Käckenmeister, Constanze Hurek und Annabelle Iredi) beäugt und verkostet wurde.
Ferner bekam die Leitung des Boys‘ Day/ Girls‘ Day tatkräftige Unterstützung. Ruben Blem Scheuer, Klasse 8, erledigte zahlreiche Arbeitsaufträge im Organisationsfeld des Aktionstages und griff damit tatkräftig unter die Arme.
Auch wenn einige Jungen festgestellt haben, dass Muttis Beruf oder Fensterputzen so gar nichts für sie ist, was sie ohne diesen Tag vielleicht nicht wüssten – war es ein richtig supertoller Tag, voller Erfahrungen, die uns nur nach vorne bringen können. (Anja Kinzel-Hausding)
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